"Die Alte und ihr Bergtee" wurde 1996 in dem Buch: "Griechische Pyramiden und andere unglaubliche Geschichten" viersprachig veröffentlicht (deutsch, englisch, italienisch und griechisch). Die Geschichte ist seit August 2004 unter die freie Lizenz gestellt, und auf der Webseite: http://www.webstar.eu.tt zu finden. Die geltende Interpretation der freien Lizenz kann ebendort heruntergeladen werden.
Es war einmal eine Alte, die verkaufte ihren Bergtee, ein salbeiähnliches Gewächs, in einem kleinen Dorf, welches im Sommer ziemlich von Touristen überflutet war.
Ihr Sohn, der ein wenig englisch konnte, half ihr dabei, indem er die Fremden ansprach und ihnen erzählte, daß Marias Esel gestorben sei, mit dem sie früher den Tee zu Tal brachte. Nun müsse die arme Frau die schweren Säcke selbst schleppen. Dies stimmte zwar, allerdings war es nicht ganz so schlimm wie es für die Touristen klang. Ja, früher, vor zehn Jahren hatte sie noch einen Esel gehabt, aber seitdem der Wohlstand in Griechenland eingezogen war, hatte natürlich auch ihr Sohn ein Auto. Da konnte die Alte den Esel verkaufen und dieser starb bald darauf bei den neuen Besitzern. Daß die Alte nun jedes Jahr die Säcke zum Auto trug, war eine Tatsache.
Die herzzerreißende Geschichte hatte schon so manchen Touristen tief in die Geldbörse greifen lassen, denn Marias Tee war nicht billig. Sie ließ sich die Englischkenntnisse ihres Sohnes gut bezahlen. Dessen Schulbildung war zwar gratis gewesen, aber keinesfalls umsonst. So kam es, daß ihnen jeden Sommer eine hübsche Stange Geld blieb, mit der sie dann gemütlich überwintern konnten. Die zwei hatten ja auch noch andere Einnahmequellen - Ziegen, Schafe und Olivenbäume in reichlicher Zahl. Sie verstanden es, die Geschichte als Witz zu erzählen, und doch hielten alle Touristen sie für wahr und sehr ernst. Auch denen, die schon seit ein paar Jahren kamen, fiel nichts auf. Immer hörten sie die gleiche Geschichte und immer fielen sie darauf herein, griffen in die Taschen und kauften mehr Bergtee als sie trinken konnten.
Eines Tages jedoch kam ein Deutscher, der ein wenig griechisch konnte, und auf die Idee gekommen war, der Alten eins auszuwischen. Als er auf den Dorfplatz kam, ließ er sich auf englisch ansprechen und kaufte brav ein paar Büschel Tee. Damit ging er zu seinem Auto und tauschte sie gegen mitgebrachtes Eselskraut aus, das dem Bergtee ähnlich sieht, aber unangenehm riecht und auch schmeckt. Wieder bei der Alten meinte er auf griechisch, so daß alle es hören konnten, was das denn sei - das wäre doch kein Bergtee - ob die gute Frau neben ihrem Esel auch ihre Brille verloren hätte. Hei, wie lachten da die umliegenden Geschäftsleute, die den Trick der Alten nur allzu gut kannten. Doch diese durchschaute die List des Deutschen und antwortete schnell: Ja, ihr sei, als sie sich nach Kräutern bückte, ihre Brille von der Nase gerutscht und auf einen Stein gefallen, wo sie in tausend Scherben zerbrochen wäre. Nun hätte sie kein Geld, sich eine neue zu kaufen, aber sie würde den Tee natürlich gerne umtauschen. Außerdem reichte sie ihm noch als Entschädigung für die Täuschung einen kleinen Beutel. Dazu sagte sie, sie wäre sich aber nicht ganz sicher, was darin enthalten sei. Es könnten Ambrosiabohnen sein - diese wären der Götter täglicher Suppenteller. Der Deutsche horchte auf, nahm den Beutel und sah darin drei Handvoll gutaussehender bunter Bohnen in verschiedensten Größen. Er nahm den Tausch an, hatte er doch jetzt die einmalige Chance, zu einem echt göttlichen Suppenteller zu kommen.
Als er sich zu Hause eine kräftige Mahlzeit damit kochte, bezahlte er dies mit einigen Stunden Stuhlgang und Erbrechen. Der Alten war zufälliger Weise ein ganz kleiner - aber trotzdem giftiger - Rizinussamen in den Beutel dazugerutscht.
Doch das war der einzige Zwischenfall in all den Jahren. So verkaufen die zwei wohl heute noch Bergtee und wenn ihr Auto nicht verreckt ist, fahren sie noch heute einen blauen Pickup.
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